La Flor

Ein Film, der mit sechs Episoden, die von verschiedenen Filmkunstformen inspiriert sind, der Kinogeschichte Anerkennung zollt. Jede Episode gehört einem Genre an. Die erste Episode könnte als B-Film betrachtet werden, also als diejenige Sorte von Film, welche die Amerikaner früher mit geschlossenen Augen gedreht haben und heute einfach nicht mehr drehen können. Die zweite Episode ist eine Art Musical mit einem geheimnisvollen Touch. Die dritte Episode ist ein Spionagefilm. Die vierte ist schwer zu beschreiben. Die fünfte ist von einem alten französischen Film inspiriert. Und die letzte Episode handelt von einigen gefangenen Frauen, die im 19. Jahrhundert, nach vielen Jahren bei den Indianern, aus der Wüste zurückkehren.

Zehn Jahre lang hat Mariano Llinás an seinem knapp 14-stündigen Epos gearbeitet, und das Ergebnis zählt unbestritten zu den außergewöhnlichsten Kinoereignissen des Jahres. Eine Serie für die Leinwand, eine verspielte, vor Ideen berstende Hommage an das Kino und das Geschichtenerzählen überhaupt. Elisa Carricajo, Valeria Correa, Pilar Gamboa und Laura Paredes bilden für drei Kapitel ein fulminant aufspielendes Quartett, das in sechs Episoden und acht Akten, umgeben von Dutzenden NebendarstellerInnen, als betörend roter Faden der Serie fungiert. Verwirrend? Dabei ist alles ganz einfach: Jede Episode bezieht sich auf ein klassisches Filmgenre, das Llinás genüsslich dekonstruiert und dem er zugleich huldigt. LA FLOR ist ein wunderbares Mysterium, wie es sich Llinás’ Landsmann Borges nicht besser hätte ausdenken können.

Der Film ist in sechs Episoden unterteilt. Diese sechs Episoden sind auf acht Akte verteilt:
Akt 1: entspricht der Episode 1, eine Hommage an die B-Movies der 60er und 70er Jahre
Akt 2: ein Musical über Leidenschaft und Liebe mit einem geheimnisvollen Touch (= Episode 2)
Akt 3: Episode 3 beginnt mit einer Entführung und lässt eine figurenreiche Spionagegeschichte folgen
Akt 4: die Spionagegeschichte führt unsere vier Heldinnen nach Europa (Fortsetzung Episode 3)
Akt 5: Wenn Spioninnen lieben (oder so tun sollen, als ob) – Fortsetzung und Ende der Episode 3
Akt 6: In dieser 4. Episode geht es sehr magisch und mysteriös zu
Akt 7: Fortsetzung der 4. Episode, der Regisseur greift aktiv ins Geschehen ein, es wird immer geheimnisvoller…
Akt 8: enthält die 5. Episode, eine Verbeugung vor einem französischen Filmklassiker, sowie die 6. und letzte Episode, in der vier Frauen nach Jahren in der Wüste in die Zivilisation zurückkehren

Spieltermine

Kinostart: 06.09.2019 u.a. im LE STUDIO Film und Bühne, KIZ Royal Kino Graz, Moviemento Linz, Programmkino Wels, LeoKino Innsbruck

Pressespiegel

„Wer jeden Tag ins Kino geht, sieht meist einen neuen Film – und mittlerweile oft eine Fortsetzung. Einem der unterhaltsamsten und zugleich außergewöhnlichsten Filme des Jahres gelingt allerdings beides: La FlorDer Standard

„Gäbe es eine Insel, auf die Sie nur einen Film mitnehmen dürften, würde ich Ihnen LA FLOR als diesen Film empfehlen. » Spiegel online

„5 Sterne – aber sowas von! Eine der rundherum spannendsten, lustigsten, überraschendsten, faszinierendsten, anregendsten Kinoerfahrungen meines Lebens. Lohnenswerter kann man 14,5 Stunden kaum verbringen. (…) Bekämpft euren inneren Schweinehund und traut euch! » filmstarts.de

„Ja, das Kino ist keine junge Kunstform mehr. Doch während den 14 Stunden von LA FLOR fühlt es sich tatsächlich wieder so an wie damals vor 125 Jahren, als noch alles möglich schien. Ein Film wie Morgengrauen und frisch gefallener Schnee. Das Kino geht weiter. » filmstarts.de

„Ein einzigartiger hochinteressanter Film ist dies, der schwer zu beschreiben und in seinem Erlebnisreichtum nicht mit einem Mal auszuschöpfen ist. Ein offenes Kunstwerk.” Berliner Zeitung

„In der Kinogeschichte einzigartig. (…) So exzessiv die Grundidee dieses Unterfangens auch erscheinen mag: LA FLOR ist die vielleicht einzig zeitgemäße Form des Kinos. » Der Tagesspiegel

„Die Vorfreude steigt, ganz ohne Cliffhanger“ Critic.de Teil I
„Ein formidables Frauenquartett“ Der Standard
„Überwältigend stark“ Critic.de Teil II
„Wer sich also jeden Morgen um halb neun in denselben Kinosaal setzte, der sich von Tag zu Tag mehr füllte, kam zunehmend aus dem Staunen nicht mehr heraus.“ Der Standard
„Ich hatte es mir so gewünscht, und es kam viel besser: La Flor ist nicht nur ein spielerisch kluges Arrangement der Kinobezüge, sondern ein formvollendetes Pastiche.“ Critic.de Teil III
La Flor ist selten weniger als lustig und öfter mehr als spannend, und wie bei vielen anderen sehr langen Filmen – wie z.B. Peter Watkins The Journey (14,5 Stunden), Jacques Rivetes Out 1 (fast 13) und Béla Tarrs Sátántangó (magere 7,5) ist es Teil der Erfahrung, mit dem Film über seine Länge hinaus zu leben und ihn dabei zu sehen, wie er sich andauernd neu erfindet. “ Artforum

„Seine Schauspielerinnen-Truppe, seine großartigen Erkundungen aller Genres zeichnen dieser Mammutfilm als außergewöhnliches Werk, das die Pionier-Energie des Kinos wieder aufnimmt.“  Libération

„Ein Film, der sich dem kinematographischen Schwerkraftsgesetz widersetzt.“  Le Monde

„Erfinderisch à la Borges, üppig à la Bolaño, spielerisch à la Hergé. Das Kino wird niemals wieder dasselbe sein.“ Télérama

„Rar ist ein Film, der auf so beiläufig  und sublime Art und Weise das Gewicht der Geschichte sowie angehäufte Erfahrung mit sich trägt.“  Cinemascope

„Llinás verliert nie sein Gespür für Verspieltheit  und Spaß. Dies hat zum Teil mit seiner Einbeziehung verrufener Genres und der Myriade von Vergnügen, die sie anbieten können, zu tun.“  Slant Magazine

„Also, ein letztes Mal: was tun mit einem 14-stündigen Film? Ihn anschauen, natürlich!“  Mubi I, II und III

Biografie

Der argentinische Regisseur und Drehbuchautor Mariano Llinás gehört zusammen mit Laura Citarella, Alejo Moguillansky und Agustín Mendilaharzu zur Filmgruppe El Pampero Cine. Seinen Erstling, den Dokumentarfilm Balnearios, realisierte er im Jahr 2002. Sein Spielfilm Historias extraordinarias (2008) erhielt eine Auszeichnung der Argentinischen Academia de las Artes y Ciencias Cinematográficas de la Argentina für das beste Drehbuch und La Flor (2009 – 2018) gewann den Hubert Bals Publieksprijs in Rotterdam.

2011 Tres fábulas de Villa Ocampo
2008 Historias extraordinarias
2004 La más bella niña
2002 Balnearios

Festivals & Preise

Hubert Bals Fund Publikumspreis – IFFR (International Film Festival Rotterdam) für LA FLOR – Teil 2
Publikumspreis – IFFR (International Film Festival Rotterdam) für LA FLOR – Teil 1
Bester Film – BAFICI (Buenos Aires International Film Festival)
Beste Darstellerinnen (Piel de Lava Quartett: Elisa Carricajo, Valeria Correa, Pilar Gamboa und Laura Paredes) – BAFICI (Buenos Aires International Film Festival)
Jury Preis – Biarritz Festival Amérique Latine
Locarno Film Festival, Toronto IFF, New York Film Festival
Viennale Teil 1, Teil 2, Teil 3 sowie Masterclass von Mariano Llinás in Zusammenarbeit mit DrehbuchForum

Material

Filmplakat

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Regie Notiz

Wenn die Geschichte des Kinos wie die antike Mythologie auf Legenden und Fabeln beruhen würde, könnte niemand die Schlußsequenz von STROMBOLI außer acht lassen, dem Film, den Rossellini 1950 in Cannes uraufführte. Der Plot ist nichts besonderes, rein nebensächlich, und der Film könnte leicht mit anderen Werken des Neorealismus verwechselt werden, die damals weltweit auf den Festivals wie Pilze aus dem Boden schossen: eine Frau, auf der Flucht vor dem Krieg, sitzt in einem Flüchtlingscamp fest und stimmt der Heirat mit einem jungen Italiener zu, mit dem sie in seine Heimatstadt auf einer kläglichen Insel südlich des Tyrrhenischen Meers zieht. Die Frau ist schön, gebildet, sensibel; der Kerl gibt sich alle Mühe, aber er kann nichts an seiner Grobheit, seiner Ignoranz, seiner Gefühlslosigkeit ändern. Die Insel ist karg und unbewohnbar, ein ständig aktiver Vulkan bestimmt das Leben der Bewohner*innen wie eine böse Gottheit. Die Frau erkennt schnell, dass diese Insel ihr Gefängnis sein wird und der Film zeigt ihre fortschreitende Einkerkerung unter freiem Himmel. Gegen Ende beschließt die Frau, zu fliehen und besteigt – in einem quasi-mystischen Akt – den ausbrechenden Vulkan. Das Schlußbild zeigt die Frau, nun fast eine Heilige, wie sie das grenzenlose, schreckliche Panorama überblickt.

Warum denken wir, dass dieses Ende eine wichtige Szene ist? Nun, weil diese Frau im Angesicht des Todes, geblendet von der schaurigen Schönheit dieses verwüsteten Landes, Ingrid Bergman ist, die wichtigste Schauspielerin der Welt, dieselbe, die Jahre zuvor Hitchcock und Bogart faszinierte, die majestätisch wie eine Königin durch die Paläste der Welt geschwebt war. Dieselbe Frau. die nur Monate, bevor sie zur anonymen Magd wurde, Jeanne d’Arc war. Sie war die Person, die den Hang des ausbrechenden Vulkans emporkletterte, die sich wie ein heiliges Opfer in die Lava stürzte und auf der anderen Seite wartete weder Hitchcock, noch Bogart, sonder Rossellini, der modernste von allen Regisseuren, der dem Kino neues Leben einhauchte, derselbe, der nach Jahren voller verlogener Innenaufnahmen die Kamera umdrehte und sie hinaus in die Welt blicken liess. Diese Zeremonie wurde mit dieser Schlußszene gefeiert. Die Prinzessin, die alles abstreift, die dem Glitzer und der Gloria Lebewohl sagt, um fast barfuß über getrockneten Lehm zu laufen und in die schwefligen Dämpfe eintaucht, in die Arme eines launischen und missmutigen Mannes, eines Mannes aber, der wußte, wie man auf die Dinge blicken sollte, der aus ihnen die Poesie und die Wahrheit holen konnte.

Wäre das Ende also anders gewesen, wenn die Schauspielerin eine andere Frau gewesen wäre? Wenn zusammen mit Ihr nicht Isla aus CASABLANCA und Alicia aus NOTORIOUS den erlösenden Vulkan bestiegen hätten? Der Dreh von STROMBOLI war das erste Mal, dass die frühere Karriere einer Schauspielerin eine fiktive Szene in etwas anderes verwandelte. Zum ersten Mal spielt die Frau, die den Vulkan hinaufläuft, nicht eine Königin, sondern sie IST die Königin. Sie spielt nicht Jeanne d’Arc, sie ist Jeanne d’Arc.

Das Ziel des Projektes LA FLOR ist vergleichbar mit dem von STROMBOLI, aber mit einer zusätzlichen Zutat. Der Film nutzt nicht die früheren Arbeiten einer Schauspielerin, um bestimmte Gefühle in eine Reihe von Bildern zu bringen. Stattdessen versucht LA FLOR, diese Erfahrung zu konstruieren, zu ergründen. Dieser Film wird genau zu dieser Erfahrung. Das Zuschauer*innen sehen, wie sich die Karrieren mehrerer Schauspielerinnen vor ihren Augen entfalten, als Teil dieses Films. Die Idee ist, dass ein Film wie eine Serie von Filmen sein sollte, ein Abschnitt im Leben von vier Menschen, und dass das Kino fähig sein sollte, diese Vergehen von Zeit, dieses Lernen, diesen Prozess zu zeigen. Dass man durch die unterschiedlichen Erfindungen und Fantasien, die von den Figuren dieses Projekts im Laufe dessen beigetragen wurden, schließlich das wahre Gesicht dieser vier Frauen erkennen kann, das hell durch den Nebel der Fiktion hindurchleuchtet.

Mariano Llinás