Herr Bachmann und seine Klasse

HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE porträtiert die Beziehung zwischen einem Lehrer und den Schüler*innen der 6. Jahrgangsstufe. In einnehmender Offenheit begegnet Herr Bachmann den Kindern mit ihren unterschiedlichen sozialen und kulturellen Erfahrungen und schafft damit einen Raum des Vertrauens. Musik ist hier eine allgegenwärtige Sprache, die sich wie selbstverständlich um den zu absolvierenden Unterrichtsstoff legt. Anhand der sozialen Beziehungen in der Klasse erzählt der Film ganz beiläufig von den Strukturen einer kleinen, westdeutschen Industriestadt, deren Geschichte bis zurück in die NS-Zeit von Migration geprägt ist.

Spieltermine

Kinostart: 13.12.2021 u.a. im Stadtkino Wien, Filmcasino, Admiral Kino Wien, Metro Kinokulturhaus Wien, Volkskino Klagenfurt, Moviemento Linz, Leokino Innsbruck, KIZ Royal Kino Graz, Kino im Kesselhaus Krems, Filmstudio Villach, 8mm Kino Mank, Lungau Kultur Tamsweg, Das Kino Salzburg, Programmkino Wels, Filmklub Wieselburg, Filmclub Bozen, Remise Bludenz, Stadtkino Grein, Kulturzentrum Radstadt, Oberpullendorf Kino, Lichtspiele Katsdorf, Kino Bruck an der Mur, Freistadt Kino, Steyr City Kino Kulturzentrum Radstadt, Lichtspiele Lenzing, Cinema Paradiso Baden, Spielboden Dornbirn (6th HUMAN VISION film festival),  Filmklub Wieselburg, Hans Bach Lichtspiele Schwarzenberg, Tiroler Bildungsinstitut - Medienzentrum Innsbruck...

Pressespiegel

„Ein berührender und kurzweiliger Film, der nichts weniger als eine Liebeserklärung an die Menschlichkeit ist.“ orf

„Einer der schönsten Filme des Jahres“ Salzburger Nachrichten

„Ein großes Vergnügen“ Der Standard

„Eine Wucht, ein Must-see-Ereignis, das einem zumindest für die Laufzeit den Glauben an die Menschheit zurückgibt.“ Blickpunkt Film

„Wunderbarer Dokumentarfilm. […] Dem Film gelingt eine zu Herzen gehende Momentaufnahme, die in der Biografie der Kinder und beim Publikum fühlbar nachhallen wird. Man wünschte sich dann jede Klasse hätte ihren Bachmann..“ Falter

„Einer der besten Filme, die je über eine Schulklasse und ihren Lehrer gedreht wurden.“ Film.at

„Mit jeder Minute dieser Langzeitdokumentation wird die Welt ein klein wenig besser, weil die Hoffnung darauf, dass Hopfen und Malz noch nicht gänzlich verloren sind, ein klein wenig größer wird.“ Alexandra Seitz, RAY Filmmagazin

„Ein optimistisches und ungemein menschliches Stück Kino.“ Uncut

★★★★„Ein Film, der einen in tristen Zeiten den Glauben ans Gute im Menschen zurückschenkt.“ Kleine Zeitung

„Unterhaltsamer als viele Spielfilme.“ Frankfurter Rundschau

„Eine zu Herzen gehende Momentaufnahme im Leben der Kinder, die in ihrer Biografie und beim Publikum eindrücklich nachhallen wird. Man wünschte sich dann, jede Klasse hätte ihren Bachmann“ Falter

„Die Pädagogik von Speths Film erklärt sich eher implizit, in der Pragmatik des Erziehers, an dem ein Filmstar verlorengegangen ist. [… Er] will aus den Kindern gute Menschen machen, inklusive Mathe und Grammatik – und nicht zuerst gute Deutsche. Genau deswegen gibt es gerade auch keinen schöneren, klügeren Film über 2021.“ Tagesspiegel

„Dreieinhalb Stunden Film, die sich nie wie Nachsitzen anfühlen.“ ARD Tagesthemen

„Für uns Zuschauer ist Herr Bachmann und seine Klasse ganz so wie sein Protagonist ein Film, der in viele Richtungen Fäden der Erkenntnis auswirft und Lust macht, sie weiterzuspinnen.“ taz

„Brandaktuell“ ARD Titel Thesen Temperamente

„Ein Wunder? Nein, Realität! Maria Speth vollbringt mit ihrer Dokumentation ein Wunder: sie hinterfragt über die kleine Welt einer Schulklasse nicht nur das große Deutschland und seine Bildungsmisere, sondern hat auch einen so spannenden Familienfilm realisiert.“ artechock-filmmagazin

„Eine faszinierende Studie über das, was Pädagogik ausmacht.“ Berliner Morgenpost

„Dieser Film verwandelt einen Klassenraum in eine Weltbühne, macht die Schülerinnen und Schüler zu Stars auch ihres eigenen Lebens.“  Die Zeit

„Die Utopie, die Regisseurin Maria Speth mit ihrer klugen Kamera einfängt, ist eine der Perspektive: Herr Bachmann sieht in seinen Schülern nicht die Probleme, sondern nur ihr Potenzial.“ Deutschlandfunk Kultur

„Ein beeindruckender Film, mit Bildern, Gesichtern und Ideen, die hängenbleiben. Schaffen wir die richtigen Bedingungen in unseren Schulen und schätzen wir alle LehrerInnen und Lernenden für das, was sie sind. »
Peter Schipek – Sozialpädagoge, Lektor an der FH Campus Wien, Gründer der Lernwelt, Koordinator der Akademie für Potentialentfaltung

„Ein spannender und erleuchtender Dokumentarfilm.“ Variety

★ ★ ★ ★ ☆„Zusammen mit Herrn Bachmanns grenzenlosem Mitgefühl gehen seine Fähigkeiten zur Konfliktlösung über jede Zwietracht hinaus, die seine geliebten Schüler haben könnten: Es ist eine unerwartet spannende Kinoerfahrung.“  The Upcoming

„Das von Wiseman inspirierte Dokumentarfilm ist einer der hoffnungsvollsten Filme, die Sie wahrscheinlich bald sehen werden.“ Indiewire

★ ★ ★ ★ „Bachmanns Vision von Utopie, die Maria Speth und ihr Kameramann Reinhold Vorschneider hier gefühlvoll vermitteln, ist ein Beweis für etwas ganz Gewöhnliches und doch für Kinder überall so Wichtiges.“ Filmuforia

★ ★ ★ ★„Herr Bachmanns Lehren ist ein müheloses Ballett, das gleichzeitig hypnotisierend und herzzerreißend ist.“  Slant Magazin

Biografie

Maria Speth wurde 1967 in Bayern geboren. Sie lebt seit 1987 in Berlin, und arbeitete bis 1995 als Schnitt- und Regieassistentin bei Kino- und Fernsehfilmproduktionen. 1996 bis 2002 Regiestudium an der HFF „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. 2001 drehte sie ihr mehrfach ausgezeichnetes Spielfilmdebüt In Den Tag Hinein. Ihr zweiter Spielfilm Madonnen erhielt 2007 den Hessischen Filmpreis. 2009 gründete sie die Produktionsfirma Madonnen Film und produzierte ihren ersten Dokumentarfilm 9 Leben, für den sie den Deutschen Regiepreis Metropolis erhielt. Ihre beiden Spielfilme Madonnen und Töchter wurden im Forum der Berlinale uraufgeführt.

 

Filmografie
2015-2021:  Herr Bachmann und seine Klasse (Dokumentarfilm 215 min.)
2012-2014:  Töchter (Spielfilm, 92 min.)
2009-2010:  9 Leben (Dokumentarfilm, 105 min.)
2004-2007:  Madonnen (Spielfilm, 125 min.)
2000-2001:  In Den Tag Hinein (Spielfilm, 119 min.)
1999:  Barfuss (Kurzfilm, 20 min.)

Festivals & Preise

Viennale’21
Bester Doku – Deutscher Filmpreis ’21

Silberner Bär Preis der Jury  & Publikumspreis Berlinale’21

Jury-Begründung:
„Im Film kann man die Aufmerksamkeit auf grundlegende Probleme lenken, indem man den Finger auf die Wunde legt, oder indem man Zuversicht zeigt und Anregungen gibt, wie eine positive Veränderung bewirkt werden kann. Die Regisseurin dieses einfühlsam-kraftvollen Dokumentarfilms hat sich für letztere Strategie entschieden. Der Film behält immer den richtigen Abstand in seiner Konzentration auf einen der ‚Außendienstmitarbeiter‘ unserer Gesellschaft, der für die prägendsten Jahre unserer Kinder bestimmend ist und ihre Lebenseinstellung nachhaltig beeinflusst. Aus der Perspektive der Regisseurin beobachtet ist dieser Lehrer einzigartig: er gestaltet ein System in der Krise – unser europäisches Bildungssystem – um, federt es ab, macht es menschlicher, und diese Menschlichkeit macht es viel wirksamer. Der Film zeigt, wie weit man es allein mit echtem Respekt, offenem Austausch und dem Zaubertrick bringen kann, den alle großartigen Lehrer*innen beherrschen: sie entfachen das Feuer der Leidenschaft in ihren Schüler*innen, indem sie ihre Fantasie anregen.“

Material

Filmplakat

Trailer Youtube | Vimeo | DCP Flat | DCP Scope
Fotos (34 Mo)
Filmblatt

Vermittlungs-, Unterrichts und Schulmaterial

Interviews

Interview mit Dieter Bachmann zum anhören: „Herr Bachmann und seine Klasse – Kinder brauchen Nestwärme in der Schule“ – ARD Audiothek

RAY Filmmagazin mit Maria Speth: Glück aus dem Nichts

Freitag.de mit Maria Speth: „Größer als im Alltag“

Radio Eins RBB mit Maria Speth:  „Herr Bachmann und seine Klasse“ : Maria Speth“ 

ZDF mit Dieter Bachmann: „Doku über einen besonderen Lehrer“

Regisseurin Maria Speth im Interview mit Filmlöwin.de

Text

Ein eigener Rhythmus – Zu Maria Speths Herr Bachmann und seine Klasse

Ein Text von Alejandro Bachmann

I.

Bildungssituationen sind (fast immer) Momente inszenierter Unterbrechung. Dieses Zusammentreffen – der Inszenierung mit der Unterbrechung – steht am Anfang von Herr Bachmann und seine Klasse: Der Mond steht noch über der kleinen Stadt; einige wenige Menschen sind zu Fuß, mit dem Auto, dem Motorroller unterwegs zur Arbeit; die Beleuchtung der Bäckerei Yilmaz geht an, in der Küche legen zwei Männer Sesamringe auf das Backblech; aus der beleuchteten Moschee erklingen leise Gesänge; der Schulbus fährt vorbei an den Fabrikanlagen zur ersten Station in Stadtallendorf, um die Schüler* innen aufzusammeln und erreicht mit Einbruch des Tages die Schule. In einer Totalen sehen wir die Schüler*innen das Klassenzimmer betreten, als aus dem Off die Stimme eines erwachsenen Mannes verlautbart: „So, die İlknur hat geredet, wir gehen alle nochmal raus“. Zweiter Versuch. Schweigendes Eintreten. Das Herabnehmen der Stühle von den Tischen. Die Überprüfung der Anwesenheit. Die Unterbrechung ist gesetzt. Der Unterricht beginnt.

Erst jetzt schneidet der Film auf Herrn Bachmann, dessen Stimme von hinter der Kamera das Eintreten der Schüler*innen in die Klasse inszeniert hat (wie die Kameramänner der Gebrüder Lumière, die den Arbeiter*innen der Fabriksbesitzer zugerufen haben, wann das Tor zu öffnen ist, wann mit dem Verlassen der Fabrik auf welche Weise zu beginnen ist). Herr Bachmann und seine Klasse erzählt von einer doppelten Inszenierung, die auch eine „doppelte Lehrperfor- mance“ (Winfried Pauleit) ist – die des Lehrers mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, die des Films mit den seinen. Zu Beginn des Films lässt er sie für einen Augenblick ineinanderfallen. Die restlichen rund 3 1⁄2 Stunden führt er sie mal nah nebeneinander her, um in der Inszenierung des Films die Inszenierung der Lehre zu vermitteln, mal deutlich voneinander weg, um einer eigenen Inszenierung zu folgen und so das Jenseits des Unterrichts in den Film hinein zu holen.

II.

AC/DC – das ist eine Har- drock-Band, deren Logo das T-Shirt von Herrn Bachmann säumt. AC/DC – das ist aber auch das Kürzel für Wechselstrom, der sein Energiepotenzial aus dem rhythmisierten Umschalten seiner Richtung und Polung bezieht. Der Unterrichts-Stil des Lehrers Bachmann, der wir in langen, geduldigen, äußerst präzise gebauten Sequenzen, die den Hauptteil des Films ausmachen, folgen, ist selbst zutiefst geprägt vom Wechsel: Ein Thema wird aufgenommen, vertieft, im Dialog mit der Klasse verhandelt, gewendet, gedreht, plötzlich fallen gelassen und in andere Richtungen hinein verfolgt. Der Film zeichnet diese Dramaturgien des Lehrens auf, durchläuft Momente der Müdigkeit und des Aufgedreht-seins, der hitzigen Diskussionen und gelangweilten Kommentare. Er skizziert dabei aber nicht ein „Mal-so-und-Mal-so“. Vielmehr erzählt er von den Verläufen, den Übergängen und Windungen, den Höhepunkten und Tälern, die eine Unterrichtseinheit durchläuft, die Begriffsdefinitionen mit Identitätsfragen, Sprachübungen mit dem Musizieren, das Weinen mit dem Lachen, das Denken mit dem Fühlen, die deutsche Sprache mit der rumänischen, der türkischen und vielen anderen, fast schon von magischer Hand geführt, miteinander verwebt.

In diesen Momenten wirkt es, als würde die Inszenierung des Films vor allem der Inszenierung des Unterrichts durch Herrn Bachmann folgen. Ganz stark wird dieser Eindruck immer, wenn er eine*n Schüler*in aufruft („Hassan, bitte!“) und der Film erst dann zu dieser/m schneidet. Als Regisseur im Film ruft er auch die Frage nach Autorenschaft auf: Was ist sein Stil, was ist seine Haltung, wie blickt er auf die Welt, wie gestaltet er diese für sein Medium, den Unterricht? Was ist die spezifische, individuelle Mise en Scène im Angesicht eines vertrauten, 1000-fach inszenierten Sujets (dem Unterricht)? Neben der oben erwähnten Virtuosität der Gesprächsführung, dem didaktischen Stream of Consciousness, ist er geprägt von einer schwer zu beschreibenden (und noch schwerer im Lehren umzusetzenden) Mischung aus Autorität, Lässigkeit und Augenhöhe. Bachmann wirkt stets in Kontrolle, strukturiert den Verlauf der Unterrichtseinheiten und Gespräche, ist irrwitzig präzise/präzisierend witzig und dabei zu jedem Zeitpunkt durchlässig für sein Gegenüber, die Klasse, die er als Einheit zusammenhält, ohne dabei die Individualität jedes/ jeder Einzelnen zu übergehen. Wie jenes guter Dokumentarfilmer*innen ist sein Vorgehen nicht Strategie, sondern Taktik: Diese „macht einen Schritt nach dem anderen. Sie profitiert von ‚Gelegenheiten‘ und ist von ihnen abhängig; sie hat keine Basis, wo sie ihre Gewinne lagern, etwas eigenes vermehren und Ergebnisse vorhersehen könnte. Was sie gewinnt, kann nicht gehortet werden“ (De Certeau). Nach 3 1⁄2 Stunden frage ich nicht: Was haben die Schüler*innen gelernt, was nehmen sie mit nach Hause?, sondern: Wie hat sich jede/r einzelne (die Schüler*innen wie auch der Lehrer) in diesen Prozessen verhalten und bewegt und in diesen Bewegungen Identität ausgebildet?

III.

Natürlich bildet der Film die Lehrperformance von Herrn Bachmann und seiner Klasse nicht einfach ab. Aber seine Inszenierung scheint sich dieser anzuschmiegen, ihren spezifischen Stil vermitteln zu wollen. Wie er dies bewerkstelligt, wie er sich also in der Klasse einfindet und unsere Blicke zwischen Herrn Bachmann und seinen Schüler*innen verschaltet, ohne dabei je gestellt oder unaufrichtig zu wirken, ist eines der flimmernden Geheimnisse der Genese dieses Films. Verlässt der Film die Klasse, wird sein eigener Modus des Vermittelns sichtbar. Wiederkehrend, zwischen den Unterrichtseinheiten, der Klassenfahrt, sehr kurzen Einblicken in das private Leben des Lehrers und der Schüler*innen, öffnet sich der Film über die Räume des Klassenzimmers hinaus. Das Ende des Unterrichts ist stets das Ende einer Unterbrechung und führt zurück zu der Welt da draußen: In die großen und kleinen Pausen, das Mittagessen oder die Brandschutzübungen der Schule, und noch weiter hinaus, in die Umgebung des Gebäudes, die Stadt, die Landschaft.

In einigen Momenten erinnert der unaufgeregte, gleitende Übergang (der doch auch ein Bruch ist) von der dialogischen Handlung in geschlossenen Räumen in die Montage einiger weniger, stiller Einstellungen der Umgebung von Stadtallendorf an jene Sequenzen meist menschenleerer Orte bei Ozu Yasujirō, die als pillow shots die Handlung strukturieren, und wiederholt als „Ausatmen“ beschrieben wurden. Wenn uns Herr Bachmann und seine Klasse Bilder der 90er-Jahre Fußgängerzone, Arbeitersiedlungen in direkter Nachbarschaft zur Fabrik, Wälder, Felder und Windräder der umliegenden Landschaft in Mittelhessen zeigt, dann bieten diese Momente der Ruhe von den sprachlichen Aushandlungen des Unterrichts. Zugleich holen sie in einer Bewegung des Einatmens die Welt, als deren Zentrum der Film die Schule setzt, wieder in diese hinein. Die post-migrantische Realität in der Klasse ist eng mit der Geschichte Stadtallendorfs verbunden, die wiederum mit einer Klasse, der Arbeiter- klasse (den Zwangsarbeitern im dritten Reich, den „Gastarbeitern“ der 60er- und 70er-Jahre, den heute noch tätigen Arbeitern bei Ferrero, der Fritz Winter Eisengießerei und anderen) in Verbindung steht. Das Stadtbild erzählt davon.

Was willst Du mal machen, was willst Du werden, worauf hast Du Lust? Herr Bachmann und einige der anderen Lehrer*innen diskutieren immer wieder mit den Schüler*innen über deren Zukunfts- vorstellungen, die – no na – von der Geschichte der Stadt, ihrer geographischen Lage, wie sozioökonomischen Situation geprägt sind. Klasse, das meint zuerst: den Klassenverbund in der Schule. Es meint aber auch: die Klasse, die die Stadt geprägt hat, und: die pädagogische „class of its own“, mit der Dieter Bachmann und seine Kolleg*innen die Welt da draußen – durch Worte, Bilder, Instrumente, Materialien, Museumsbesuche und, ganz zentral, die Erzählungen der Schüler*innen – in den Unterricht zurückholen.

IV.

Klaus Theweleit spricht in den geschichtstheoretischen Überlegungen im ersten Band des Buchs der Könige von Rhythmen, die die allgemeine Geschichte und ihr Zustandekommen strukturieren – von der Legislaturperiode der amerikanischen Präsidenten bis hin zu den Zyklen von Freundschaften in politischen Gruppen. Die Schule ist, in den meisten Fällen, eine Institution, die zur Verfestigung der allgemeinen Rhythmen beiträgt (in der Taktung der Schullaufbahn wie in den Strukturen des Unterrichts, der Leistung, der Didaktik). Um seine eigene Geschichte zu schreiben, meint er, müsse man diese Rhythmen aufbrechen und eigene entwickeln. Herr Bachmann und seine Klasse erzählt von einem Klassenverband, dessen erstaunlicher Zusammenhalt in einem geschützten Raum, der sich dem Rhythmus der Welt widersetzt und einen alternativen einführt, gemeinsam inszeniert wird. Dabei entwickelt der Film selbst einen ganz eigenen Rhythmus, der von den Abstraktionen der Institution Schule, der Idee von Bildung, der Realität einer hybriden Gegenwart in großer Unaufgeregtheit ganz konkret zu erzählen weiß. Mit seiner Länge von 3 1⁄2 Stunden, die in besonderer Weise das Kino als Ort der Betrachtung aufruft, ist er selbst eine Unterbrechung, die die Wahrnehmung des Lebens in einem eigenständigen Film-Rhythmus an einem dafür inszenierten Ort möglich macht.