Sigmund Freud. Jude ohne Gott

Im Wien der Jahrhundertwende entwickelt ein visionärer und bahnbrechender Sigmund Freud die Psychoanalyse, bis er 1938 ins Exil nach London gezwungen wird. Ein intimes Porträt, das – auch aus der Perspektive seiner Tochter Anna erzählt – auf Freuds Korrespondenzen und Texten basiert, und eine Befragung von „Heimat“ und „jüdischer Identität“. Bisher unveröffentlichte Archivbilder vergegenwärtigen Freud nicht nur als genialen Denker, sondern auch als Privatmenschen in all seinen unterschiedlichen Facetten.

 

Der französische Regisseur David Teboul, der bereits Yves Saint Laurent porträtiert hat, erarbeitet in SIGMUND FREUD. JUDE OHNE GOTT ein erratisches Bild, bestehend aus Schriften und Erinnerungen Sigmund Freuds, seiner Tochter Anna sowie berühmter Gefährt/innen. Yves Saint Laurent und Sigmund Freud ist nicht nur gemein, dass der Franzose David Teboul sie in seinen Filmen porträtiert hat – beide neigten offenbar auch dazu, einer Hunderasse treu zu bleiben. Als Teboul Laurent über drei Monate hindurch in seinem Atelier filmte, begegnete ihm dort die französische Bulldogge Moujik, die dritte ihrer Art. Freud fühlte sich indes stärker zu Chow-Chows hingezogen, die ihn an kleine Löwen erinnerten. In SIGMUND FREUD. JUDE OHNE GOTT heißen sie Jofie und Lün, und Freud hatte sie erst sehr spät für sich entdeckt, als sich sein Leben bereits dem Ende zuneigte. In den letzten, farbigen Minuten des Films läuft einer von ihnen über grünen englischen Rasen. Der Rasen wuchs in London; die Stadt war das Exil, in das der Vater der Psychoanalyse 1938 gemeinsam mit Tochter Anna emigrierte. Vier seiner fünf Schwestern blieben in Wien zurück und wurden in den Folgejahren von den Nationalsozialisten ermordet. Die jüdische Identität Freuds spielt in David Tebouls Film, der vom Material her vorwiegend Archivarbeit ist, eine fast so zentrale Rolle wie die Psychoanalyse selbst; beide waren eng miteinander verknüpft. Angefangen bei Erinnerungen an die Kindheit in der Wiener Leopoldstadt, in welche die Familie im Jahr 1860 gezogen war, „ein Ghetto ohne Mauern“, bis hin zu Freuds Sympathien für den Zionismus, von dem er sich später abwandte.

Bedeutung kam außerdem einer vom Rabbiner Ludwig Philippson kommentierten Bibel zu, die Freud als Kind las. Die Illustrationen darin waren es, die ihn in seinen Träumen heimsuchten, etwa in einem fürchterlichen, der den Tod seiner Mutter zum Inhalt hatte. Ohnehin sind Gedächtnis und Schriften von Symbolen durchwandert: Vom Bahnhof in Breslau ist die Rede, den Freud im Alter von drei Jahren passiert hatte und von dem ihm noch immer „die Gasflammen“ gegenwärtig waren, die ihn an „brennende Geister in der Hölle“ gemahnten. David Tebouls Film ist eine chronologische, dennoch lose Reihung derartiger Eindrücke – nicht nur von Freud, sondern auch von seiner Tochter Anna (in der deutschen Fassung gesprochen von Birgit Minichmayr) sowie von Marie Bonaparte (Catherine Deneuve), Lou Andreas-Salomé und Carl Gustav Jung (Roland Koch). SIGMUND FREUD. JUDE OHNE GOTT handelt von zerbrochenen Männerfreundschaften und von Frauen, die um Freud schwirrten. Von Zigarren und von Bergwanderungen, von berühmten Patient/innen und vom Aufbruch in ein neues geistiges Zeitalter. [Diagonale]

Spieltermine

KINOSTART: ab 18.09.2020 u.a. im LE STUDIO Film und Bühne, Votiv Kino/De France, LeoKino Innsbruck, Programmkino Wels, Actors Studio Wien, Das Kino Salzburg, Moviemento Linz, Kino Freistadt, KIZ Royal Kino Graz, Geidorf Kunstkino Graz, Filmstudio Villach, Kino im Kesselhaus Krems, Volkskino Klagenfurt, City Kino Steyr, JUFA Kino Murau, FilmForum Bregenz, Cinema Paradiso St. Pölten, Cinema Paradiso Baden, FKC Dornbirn, Filmclub Bozen,  St. Stefan ob Stainz Stiegler Haus, Frühlingskino Augarten, FKC c/o Cinema DornbirnBreitenseer Lichtspiele

 

Kinostart in Kooperation mit der Sigmund Freud Museum  und der Diagonale, unterstützt von Unifrance und gefördert vom BMKÖS.

Pressespiegel

„Ein cineastischer Leckerbissen. […] Wenn auf einen Film das Wort „Kleinod“ passt, dann auf diese unprätentiöse Näherung.“  Die Furche

„Es gab aber bisher noch keine Biografie, die […] tatsächlich ein Bild von Freud ergibt, das seinen Formen des Vorstellens gerecht wird.“  Der Standard

„Diese raren Filmaufnahmen der Freuds in Wien aus den 1930er Jahren sind nur eine der wertvollen Material-Entdeckungen, die der französische Regisseur David Teboul in seinem Film zusammengetragen hat.“  ORF

„Mit wunderbarer Genauigkeit, Gewissenhaftigkeit, Sachlichkeit und Unaufgeregtheit.“ Online Merker

„Es ist weniger eine Traumdeutung als ein Traum, mit dem sich der Regisseur David Teboul dem großen Sigmund Freud nähert.“ APA

„Der Film kommt dem Menschen tatsächlich sehr nahe, ohne den zeitgeschichtlichen Kontext aus den Augen zu lassen.“ Salzburger Nachrichten

„Ein sehenswertes Porträt.“ Falter

„Ein intimes, vielschichtiges Porträt.“ Kurier

„Ein kenntnisreiches Porträt“ Die Presse

Der Film „gewinnt anhand von Anekdoten und Aufnahmen von bestechender Optik an Kontur.“ Kronen Zeitung

„Beeindruckend“ Meine Kirchen Zeitung

„Ungewöhnlich persönlich und auch deshalb berühren“ Tiroler Tageszeitung

„Dieser Film ist eine gelungene, ungewöhnliche Biographie, die Lust darauf macht, sich mehr mit Sigmund Freud und seinen Theorien zu beschäftigen.“ Kek

„Ein sehenswerter Film“ Film+Kritik

„Wundervoller Film“ Charlie Hebdo

„Der Film schildert mit Feinheit, Vertrautheit und visueller Eleganz die Figur des Vaters der Psychoanalyse.“ Le Monde

„Seine Korrespondenz weist Freud als einen der letzten großen Briefschreiber des Jahrhunderts aus.“ ARD

„Berührendes Portrait“ Sens Critique

„Ein Streifzug in Texten, Brieftexten, die Freud mit Kollegen und Freunden geführt hat.“ Deutschland Funk

„Der Verstand hinter der Psychoanalyse.“ Télérama

„Schaut SIGMUND FREUD. JUDE OHNE GOTT und kommt zum intimen und politischen Ursprung der Psychoanalyse zurück.“ France Culture

„Rührend“ Les Inrocks

„Der Film gibt uns, innerhalb des Zeitspanns einer Traumes, ein lebendiger, leidender, bespielter und verliebter Freud.“ En Attendant Nadeau

„Poetisch und erstmalig.“ Psychologies

„Teboul führt uns, wie Freud selbst, auf dem königlichen Weg des Traums.“ Diacritik

„Faszinierend“ Le Pelerin

„Subtile Biografie“ La Croix

Biografie

David Teboul ist in Frankreich geboren. Er lebt und arbeitet als Film- und Theater-Regisseur und Künstler in Paris.
Filme (Auswahl): MON AMOUR (2019), BORIS MIKHAILOV, I WAS HERE (2019), BARDOT, LA MÉPRISE (2014), LA VIE AILLEURS (2007), SIMONE VEIL, UNE HISTOIRE FRANCAISE (2004), BANIA (2004), YVES SAINT-LAURENT, 5 AVENUE MARCEAU 75116 Paris (2001).

Material

Filmplakat

Fotos | Plakat | Presseheft
Trailer Youtube, DCP  Flat, DCP Scope
Teaser #1 Kriegsschiff Youtube, DCP  Flat, DCP Scope
Teaser #2 Annas Traum Youtube, DCP  Flat, DCP Scope

Interviews

Der Film ist wie ein Triptychon zusammengestellt, Geburt, Traum und Zusammenbruch

Sie machen ein Porträt von Freud und haben entschieden, sich auf Texte und Korrespondenzen aus jener Zeit anstatt auf Kommentare zu konzentrieren. Warum?

Als ich einen Film über das Leben und Denken von Sigmund Freud drehen wollte, war es für mich wichtiger, dass man seine Sprache und seine Stimme, den Denker sowie seine Beziehung zu seiner Tochter Anna spürt. Indem ich Freud, dem Denker, und nicht der Psychoanalyse einen zentralen Platz gebe, hoffe ich als Regisseur einen authentischen Freud’schen Film gedreht zu haben, und zwar ohne Kommentare oder Erklärungen von Experten. Eine bewusste Entscheidung, sowohl aus dokumentarischer als auch filmischer Sicht.

Die Psychoanalyse steht zwar nicht im Mittelpunkt des Films, ich stütze mich aber auf den Prozess der freien Assoziation, einem Bestandteil der psychoanalytischen Sitzung, um in Freuds Leben und Werk einzutauchen. Die Träume von Freud sehen und hören, um sein Denken, sein Privatleben, seine Beziehung zu seiner Tochter Anna zu verstehen. Die Träume stehen oft in einem historischen und politischen Kontext. Dies hat dem Film eine historische Dimension verliehen, denkt man nur an den Untergang des Österreich-Ungarischen Reichs, das Trauma des Ersten Weltkriegs und die Konsequenzen des Nationalsozialismus. Der Film ist wie ein Triptychon strukturiert: Geburt, Traum und Zusammenbruch.

Anna Freud scheint eine Schlüsselfigur des Films zu sein. Wie ist sie zu dieser Figur geworden und welchen Platz nimmt sie im Leben und Werk ihres Vaters ein?

Nach der intensiven Auseinandersetzung mit Sigmund Freuds Leben und Denken, hat sich Anna wie eine Spielfilmheldin geradezu aufgedrängt. Ich brauche immer die Fiktion, um eine Geschichte zu bauen.  Anna hat in Freuds letzter Lebensphase eine zentrale Rolle eingenommen.

Ich habe dieses Projekt jahrelang in mir getragen. Ich wollte einen Film mit Freud machen, und wenn man einen Film mit Freud macht, heißt es auch, einen Film mit Anna zu machen. Ich wollte   über die Korrespondenzen Freuds Stimme hörbar machen und so die Verbindung zwischen dem Menschen und dem Denker herstellen, der die Ideen seiner Zeit revolutioniert hat. Als Mann der Interpretation (im beinahe talmudischen Sinn), stellt er sich stets selbst in Frage. Durch den Fokus auf Freuds Privatleben – alles steht in seinen Briefen, wenn man sie sorgfältig liest – erzählt der Film sein Leben und die Entwicklung seines Denkens und macht auch den Kontext sichtbar, in dem dieses entstanden ist. Er erforscht das Verhältnis zu seinem Vater, zur komplexen Figur Moses und da ist die schöne und intensive Beziehung zu seiner Tochter Anna, die zur Nachfolgerin und zukünftigen Hüterin des Tempels bestimmt war.

Freuds Judentum spielt in Ihrem Film eine ebenso große Rolle wie die Psychoanalyse selbst, warum?

Freuds atheistisches Judentum bildet das Grundgerüst des Films. Von Kindheit an wird er von seinem jüdischen Erbe beeinflusst. Die Interpretation von heiligen Texten stellt eine erste Übung dar, durch die sich seine spätere analytische Praxis festigen wird.

Freud ist durch und durch Jude, aber nicht im religiösen, sondern im atheistischen Sinne, es ist ein jüdischer Atheismus, der den Ideen der Aufklärung nahe steht. Von seiner Kindheit in Armut an bis hin zum Aufstieg des Nationalsozialismus hat Freud ohne Unterlass sein Judentum, hinterfragt. Der deutsche Titel hätte Ein ganz gottloser Jude lauten sollen, auf Französisch Complètement sans dieu et complètement juif. Ich mochte diesen Titel, den ich sehr zutreffend fand.  Es ist eine Formulierung, die er ironisch in einem umgangssprachlichen Österreichisch in einem Brief an den evangelischen Pfarrer Oskar Pfister verwendet.

Wien um die Jahrhundertwende als Schmelztiegel der europäischen Kulturen entwickelte sich zeitgleich mit Freuds innovativen Ideen. Ebenso wie das Wien der Zwischenkriegszeit mit seinen Spannungen und Bürgerkriegen. Wie sind Sie mit den Archivbildern umgegangen, die dieses besondere Klima vermitteln?

Mein Fokus lag bewusst nicht auf dem Wien der Jahrhundertwende im Kontext der Kunst, da mir dieser Blickwinkel im Bezug auf Freud wie eine fremde Fiktion erschien. Freud hat sich nicht sehr für die Kunst und die Avantgarde seiner Zeit interessiert. Mein Film stützt sich auf Archivbilder und von mir gedrehte Aufnahmen von Orten, die Freud möglicherweise gesehen und aufgesucht hat. Ich habe alle Filme oder Fotografien, die nicht seinerzeit entstanden sind, ausgeschlossen.

Mein Film ist in seiner Struktur klassisch und linear (von seiner Geburt 1856 bis zu seinem Tod 1939), aber gewagt im formellen Ansatz: er besteht nur aus Archivbildern und Material, das ich selbst mit meiner Super-8 Kamera gefilmt habe und wie Archivmaterial behandle. Es gibt keine Interviews mit Freud-ExpertInnen. Der Film besteht aus gelesenen Korrespondenzen, die von Freud selbst verfasst wurden oder die er erhalten hat. Der Zuschauer ist frei, diese Briefe zu interpretieren und Assoziationen zwischen Erinnerungen aus der Kindheit und Anekdoten aus seinem erwachsenem Leben herzustellen.


Ich habe einen konsequent Freud’schen Film machen wollen, das heißt, einen Film der durch freie Assoziationen zwischen Bildern und Briefen funktioniert. Es gibt abstraktes Archivmaterial, das metaphorisch funktioniert,  Ausschnitte aus Korrespondenzen zwischen Freud und seinen Freunden und Texte, die die Grundlage der Psychoanalyse bilden. Ich habe Freud, den Denker in den Vordergrund gestellt, indem ich die Psychoanalyse ausgespart habe.

Die Frage nach Heimat scheint Freud als Mensch aber auch in seinem Werk beschäftigt zu haben. Wie sind Sie an dieses Thema herangegangen?

Für Freud gibt es keinen Begriff „Heimat“. Seine einzige Heimat ist sein Judentum: kosmopolitisch, atheistisch, frei. Freud zog die italienischen Alpen den österreichischen vor.  An Wien war ihm nicht besonders gelegen, für Italien hingegen empfand er eine wahre Neigung. Im Grunde scheint mir das aber eher nebensächlich.

Sie haben dokumentarische Porträts (Saint-Laurent, Bardot, Weil, Kadaré…) , aber auch  Dokumentarfilme gedreht, die eher essayistisch oder poetisch  (Mon amour) waren, oder sich einem Ort widmen (Bania). Wie ist es Ihnen gelungen, zu dieser inhaltlichen wie formalen Vielfalt zu kommen und dennoch stets ein sehr persönliches Werk zu schaffen?

Als Jugendlicher wollte ich Theater-, Opernregisseur und Fotograf werden, aber auch Filme mit bekannten Schauspielerinnen drehen. Und ich habe sehr gerne gelesen. Ich hatte viel im Kopf und wusste noch nicht, wie ich mich auf ein Genre konzentrieren konnte. Als ich meinen ersten Film, Yves Saint-Laurent, 5 avenue Marceau 75116 Paris gedreht hatte, hat sich das Dokumentargenre  als hybride und freie Ausdrucksform bei mir durchgesetzt. Ich habe Yves Saint-Laurent wie einen Filmschauspieler gefilmt.

Einige Monate später fuhr ich nach Russland, um die Badeszene von Bania zu drehen. Ich wurde da zum Fotografen. Schon als Jugendlicher hat mich diese Art von Szenerie fasziniert, sie ähnelt der französischen Malerei des 19. Jahrhunderts, ich denke zum Beispiel an La Femme au bain. Ich filme Männer aller Altersstufen nackt, während sie sich waschen und einen geselligen Moment miteinander verbringen, etwas, das Teil der russischen Kultur ist.

Die Dokumentarform ist für mich ein wundervoller Raum, in dem ich das Leben von Leuten erzählen kann, die ich sonst nie getroffen hätte. Sie werden, durch mein Filmen und Erzählen zu echten fiktionalen Figuren. Ich suche immer nach einem fiktionalen Zugang, um meinen Filmen eine Form zu geben, vor allem dann, wenn das Thema im Bereich des Dokumentarischen liegt. Ich bin ein Dokumentarfilmemacher mangels Alternative.


Zwei Elemente haben mich zum Dokumentarfilm geführt: das Bild und seine Erzählung, seine Dekonstruktion, seine Verschiebung und Neuschöpfung einer freien Narration. Ich brauche immer die Fiktion in meinen Dokumentarfilmen. Als Filmemacher bin ich gespalten zwischen Erzählung, Geschichte und Fiktion. Meine Filme ebenso wie meine Bücher sind oft zu Publikumserfolgen geworden und das ist wichtig für mich. Wenn man meine Filme sieht, entsteht eine Irritation ähnlich wie bei fiktiven Geschichten, obwohl ich nie die historische Authentizität außer Acht lasse.


Ich habe das Leben sehr berühmter und ikonischer Persönlichkeiten, wie Yves Saint-Laurent, Brigitte Bardot (Brigitte Bardot, la méprise) oder Simone Veil erzählt, ohne einen Biopic-Film daraus zu machen. Ich habe eine intime Form des Films erfunden, die das narzisstische Ich ausschließt und dem Ich des Filmemachers Platz lässt, sodass man etwas zu sehen und zu hören bekommt, was andere für unwichtig halten könnten. Ich mag keine Frontalität und keinen Realismus, trotzdem handeln meine Filme von Leben und vom Kino. Ich filme auch persönliche Geschichten (La vie ailleurs wurde in den Pariser Banlieues gedreht, Mon amour, das von Arte Cinéma koproduziert wurde, wird im Winter 2020 in Frankreich ins Kino kommen und handelt von der Liebe im heutigen Russland und Sibirien).

Mir ist es immer wichtig, mich aufs wirkliche Leben zu stützen, um dem obszönen Naturalismus zu entkommen, der den Dokumentarfilm zu oft verseucht. Ich höre gerne Fiktionen, nehme sie auf, um dem sozialen Determinismus zu entkommen, was nicht heißen soll, dass ich sozialen Lebensbedingungen und dem politischen Engagement keinen Respekt zolle. Ich filme die gesellschaftliche Misere in Russland oder in den Pariser Banlieues mit derselben Methode, mit der ich Yves Saint-Laurent oder das Schicksal einer Heldin wie Brigitte Bardot einfange.

Mit meinem Film möchte ich Freud als Denker in den Vordergrund rücken und seine Beziehung zu seinem Judentum  betrachten, die Psychoanalyse ausklammern und gleichzeitig ein Werk schaffen, das in seinem Wesen einer Freud‘schen Therapiestunde gleicht.

Biografien

Sigmund Freud (1856 1939)

Sigismund Schlomo Freud wurde am 6. Mai 1856 in Přibor, heute Tschechien, geboren – in eine jüdische Familie mit ungewöhnlichen Generationenverhältnissen: Seine Mutter Amalia war in etwa so alt wie Freuds große Halbbrüder, er selbst im selben Alter wie sein Neffe. Im Herbst 1859 übersiedelte der Dreijährige mit den Eltern und Schwester Anna nach Wien, wo vier weitere Schwestern und ein Bruder zur Welt kamen. Während der Kindheit erfolgten zahlreiche Wohnungswechsel innerhalb Wiens, der Stadt in der Freud bis zur Vertreibung 1938 lebte: „er studierte, er reiste, er heiratete, er praktizierte, er hielt seine Vorlesungen, er publizierte, er disputierte, er alterte, er starb“, schrieb sein Biograf Peter Gay lakonisch über Sigmund Freuds unspektakulär anmutende ‚äußere‘ Biografie.   Dank Freuds umfassender Korrespondenzen ist uns heute viel über die bewegte ‚innere‘ Biografie des Begründers der Psychoanalyse bekannt. Die ersten Jahre nach dem Einzug in die Berggasse waren für den jungen Arzt und Familienvater gleichermaßen von großen Ambitionen wie von Phasen der Selbstzweifel geprägt; 1893 und 1894 litt er an Migräne und Herzsymptomen. Die Folgejahre bis zur Veröffentlichung der Traumdeutung (1900) waren vor allem von Freuds Selbstanalyse, der intimen Freundschaft mit Wilhelm Fließ und der Ausarbeitung der psychoanalytischen Prinzipien geprägt. Im nächsten Dezennium, das von den Schrecken des Ersten Weltkriegs geprägt war, gelang es ihm und seiner Gefolgschaft, die Wissenschaft der Psychoanalyse international zu verbreiten und zu institutionalisieren. 1923 wurde bei Freud Mundhöhlenkrebs festgestellt, bis zum Herbst 1938 wurden über 30 Operationen vorgenommen und eine Kieferprothese, die Freud „das Monster“ nannte, eingesetzt.   Freuds Mitmenschen beschrieben ihn als ehrgeizig, großzügig, solide, als gütigen Vater mit Sinn für Humor. Technischen Neuerungen, dem Telefon oder der Schreibmaschine, stand er skeptisch gegenüber. Freude bereiteten ihm neben seiner Sammelleidenschaft für Antiken insbesondere seine Hunde, deren Treue und Ambivalenzlosigkeit ihn faszinierten, ebenso Wanderungen in der Natur, Blumen und Pflanzen wie Gardenien, Orchideen, Maiglöckchen, Schneerosen, Flamingoblumen und insbesondere die Artischocke. [„Der Wohnung geht es gut“ – Die Freuds in der Berggasse 19, Sigmund Freud Museum]

 

Anna Freud steht für eine breite Öffentlichkeit bis heute im Schatten ihres berühmten Vaters Sigmund Freud. Dabei wäre es falsch, anzunehmen, dass sie nur in seine Fußstapfen getreten sei. Anna Freud verwaltete, behütete und verbreitete zwar Freuds Vermächtnis, gleichzeitig aber schuf sie durch die Systematisierung und Weiterentwicklung der Kinderpsychoanalyse eine eigenständige Therapieform. In ihrer Arbeit konnte sie nachweisen, dass psychoanalytische Erkenntnisse auch auf die Kinderanalyse übertragen werden können. Die Unterschiede zwischen der Therapie eines Kindes und eines/einer Erwachsenen ergeben sich laut Anna Freud lediglich aus den unterschiedlichen Entwicklungsstufen, die die jeweiligen AnalysandInnen bisher durchlaufen haben. Auf dieser Einsicht basiert auch Anna Freuds Credo, Kinder wie Erwachsene als eigenständige Persönlichkeiten anzuerkennen. [„Das ist das starke Geschlecht.“ Frauen in der Psychoanalyse. – Sigmund Freud Museum]

 

Marie Bonapartes illustres Leben verdeckt zuweilen den Blick auf ihr wissenschaftliches Werk. Dabei hat die Grande Dame der Psychoanalyse in Frankreich über 50 Aufsätze und rund 20 Bücher veröffentlicht, die großteils ins Englische oder ins Deutsche übersetzt wurden und ein breites Spektrum an Themen aus Psychoanalyse, Biologie, Anthropologie, Soziologie und Literatur aufweisen. Auch als Übersetzerin war Marie Bonaparte überaus produktiv: Ein Dutzend Freud-Schriften wurden von ihr ins Französische übertragen. [„Das ist das starke Geschlecht.“ Frauen in der Psychoanalyse. Sigmund Freud Museum]

 

Lou Andreas-Salomé ist als „Dichterin der Psychoanalyse“ bekannt. Lange sah man in ihr ein Anhängsel berühmter Männer und insbesondere eine femme fatale. Dieses in der Nachwelt dominierende Bild der Andreas-Salomé geht unter anderem auf eine Fotografie zurück, auf der sie als junge Frau über Friedrich Nietzsche und Paul Rée die Peitsche schwingt. Seit den späten 1970er Jahren interessiert sich insbesondere der Feminismus für ihr umfassendes literarisches Œuvre und ihr Leben, wobei Andreas-Salomé gleichermaßen als Pionierin der Frauenbewegung und als Anti-Feministin gehandhabt wird. Tatsächlich schloss sie sich nie einer feministischen Bewegung an; ihr Interesse galt nicht sozialen Bedingungen und politischen Forderungen, sondern der Sexualität und den Unterschieden der Geschlechter. Die Rezeption und Würdigung ihrer psychoanalytischen Schriften setzte erst in den letzten 15 Jahren ein; nur wenige ihrer Schriften wurden neu aufgelegt. [„Das ist das starke Geschlecht.“ Frauen in der Psychoanalyse. Sigmund Freud Museum]