B wie Bartleby
Info
AT-2025, 72 Min, 1.33:1, Ton 5.1, 24fps, 2K, Farbe Omd/eU
Buch & Regie Angela Summereder | Kamera Antonia de la Luz Kašik | Montage Sebastian Schreiner | Ton Daniel Hasibar | Musik Wolf-Maximilian Liebich | Dramaturgische Beratung Claus Philipp | Produzentin Daniela Praher | Produktion Praherfilm. Hergestellt mit Unterstützung von Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, ÖFI+, Stadt Wien Kultur, Land Oberösterreich Kultur, Land Niederösterreich Kultur | Weltvertrieb: sixpackfilm
Mit Benedikt Zulauf, Beatrice Frey, Maxi Blaha, Anna Mendelssohn, Alex Deutinger, Florian Tröbinger, Leopold von Verschuer, Kevin Dooley, Rosalie Christa Sommersguter, Sarah Belar, Rama Al Rahmani, Emilia Brescher, Philippa Brescher, Rance Aboa Arshid, Achmed Usmanov, Muhtar Ramoski, Michael Kummer, Thomas Schlager, Victoria Trusewicz, Paul Zöchbauer u.a.
Presse: Matthias K. Heschl & Katharina Wiesler-Prinz (What1f)
B wie Bartleby greift Herman Melvilles legendäre Erzählung auf und verwandelt sie in einen Filmessay über Erinnerung, Sprache und Widerstand. Ausgehend von Dialogen mit einem verstorbenen Gefährten lebt der berühmte Satz I would prefer not to in Stimmen und Gesten von Performer:innen, Jugendlichen, Rap-Musikern, Passant:innen und Gestrandeten neu auf – leise, beharrlich, zeitlos.
Spieltermine
Kinostart 09. Jänner 2026 u.a. im Metro Kinokulturhaus, KIZ Royalkino Graz, Leokino Innsbruck, Kino im Kesselhaus Krems, Das Kino Salzburg, Filmstudio Villach, Volkskino Klagenfurt, Programmkino Wels, Moviemento Linz...
Pressespiegel
„Für den vieldeutigen Text hat Angela Summereder eine großartig angemessene Form gefunden.“ Der Standard
„Äußerst lebendig und pulsierend.“ Cinema Austriaco
Biografie
geb 1958 in Oberösterreich. Studium der Filmregie, Germanistik und Publizistik in Salzburg und Wien. Arbeitet als Autorin und Regisseurin, tätig in der Kunstvermittlung und in der Erwachsenenbildung. 1981 dreht und schreibt sie den Spielfilm Zechmeister. Lebt in Oberösterreich und Wien.
Filmografie
2025 B wie Bartleby
2016 Aus dem Nichts
2013 Im Augenblick. Die Historie und das Offene (m. Othmar Schmiderer)
2009 Jobcenter
2008 Abendbrot
2006 Vermischte Nachrichten (m. Michael Pilz)
2004 Ort-Ried. Momente einer Straße
1981 Zechmeister
Festivals & Preise
„Die Strenge des Films, seine formale Exzellenz, seine befreiende Originalität und zugleich die Treue zu bestimmten filmischen Traditionen haben sofort die Aufmerksamkeit und das Vertrauen unseres Auswahlkomitees gewonnen. Dieser Film verändert fortwährend die Perspektive und führt den zentralen literarischen Text auf eine persönliche Ebene, auf die Dimension der Stadt und der Gemeinschaft. Dadurch wird er zu einem sehr singulären Kunstwerk und zugleich zu einer universellen Reflexion über Gesellschaft, Arbeit und Politik.“ Boris Nelepo, Selection Committee Doclisboa
Material






Plakat (Sujet Uhu: Andrea Ventura | Titelgrafik: Claudia Dzengel), Fotos
Interviews
Angela Summereder im Gespräch mit Patrick Holzapfel
In B wie Bartleby geht es auch sehr stark darum, warum es diesen Film überhaupt gibt. Mich würde das trotzdem nochmal in deinen Worten interessieren. Aus dem Film erfahren wir, dass es die Idee deines verstorbenen Ex-Partners Benedikt Zulauf gab, Herman Melvilles Bartleby, the Scrivener: A Story of Wall Street zu adaptieren. Wann wurde dir klar, dass du jetzt diesen Film übernimmst, dass es deine Aufgabe sein soll, euren Auseinandersetzungen zu diesem Stoff weiter zu folgen?
Als wir uns kennengelernt haben, hat mich Benedikt bereits mit dieser Idee konfrontiert. Er hat mir damals gesagt, dass ihn diese Geschichte irgendwie gepackt hat und ob wir das gemeinsam machen wollen. Ich habe den Text gelesen und ich habe das irgendwie sehr faszinierend gefunden und gleichzeitig sehr strange. Aber es gab so turbulente Umstände in unserem Leben, dass es nicht zu einer Verfilmung gekommen ist. Viele Jahre, nachdem wir getrennt waren und auch keinen Kontakt hatten, haben wir uns wieder getroffen und ich habe gewusst, dass Benedikt krank ist. Es war wie in einem Déjà-vu, er hat mich wieder gefragt, ob wir den Bartleby machen wollen. Ich hatte das Gefühl, dass dieser Film in die Welt muss. Ich wusste, dass es sehr schwierig werden würde, aber habe zugesagt.
Und dann habt ihr darüber zusammen nachgedacht? Das sind die Dialoge zwischen euch, die wir auf der Tonspur im Film hören können?
Genau, wir haben uns ausgetauscht, was das für ein Film werden könnte und bemerkt, dass wir sehr divergierende Vorstellungen haben. Benedikt ging es dann auch immer schlechter und er ist dann leider gestorben. Damit war das fürs Erste vorbei. Zwei Jahre später bin ich dann beim Aufräumen über diese Tonbandprotokolle gestolpert und habe mir das angehört, was wir da geredet haben. Ich habe mir gedacht, dass es eigentlich schade ist, wenn das in der Schublade liegen bleibt. Dann habe ich mich nochmal hingesetzt und ein neues Konzept geschrieben, in dem es dann weniger um den Bartleby-Film ging, sondern um diese Geschichte des gemeinsamen Versuchs und des gemeinsamen Scheiterns, wenn man so will.
So kommt auch der Titel zustande?
Das B steht für Benedikt, genau.
Warum habt ihr euren Prozess eigentlich auf Tonbändern festgehalten?
Wir haben uns regelmäßig im Kaffeehaus getroffen und darüber geredet, wie der Bartleby-Film aussehen könnte. Ich habe diese Gespräche aufgenommen, transkribiert, ihm geschickt und eine Woche später haben wir uns wieder getroffen, um weiter zu reden. Es gibt ungefähr vier, fünf Stunden solcher Protokolle, die im Film verdichtet wurden.
Diese Tonprotokolle strukturieren den Film ja gewissermaßen. Gleichzeitig gibt es daneben verschiedenste Zugänge zum Bartleby-Text mit inszenierten Szenen, dokumentarisch beobachteten Szenen und so weiter. Ich gehe davon aus, dass diese verschiedenen Zugänge und ihr Nebeneinander nicht Teil eures Dialogs waren. Wie kamen diese verschiedenen Elemente in den Film?
Wenn ich Benedikt richtig verstanden habe, dann wollte er doch eher einen klassischeren Spielfilm machen. Mir war dieser Zugang sehr fremd. Wir waren uns allerdings einige, dass es wichtig wäre, diese Geschichte in die Gegenwart zu holen. Wir wollten fragen, was diese Formel, diese Kurzgeschichte mit unser aller Leben heute zu tun hat. Ich habe in einer früheren Phase vorübergehend die Idee gehabt, dass man Bild und Ton trennen muss. Also die Idee war, dass man einfach die Geschichte gelesen hört und auf der visuellen Ebene sieht man Szenen, von denen man meint, das sie nicht viel damit zu tun haben. Auch dem konnte Benedikt nichts abgewinnen. Irgendwann schien es mir dann am treffendsten, wenn diese ständigen Versuche, dieses Neu-Ansetzen sichtbar ist als Konstruktion. Wie bekommt man diese Wahnsinns-Story in den Griff? Was für filmische Mittel taugen dafür? Wie kann man das machen? Ich wollte, dass die Arbeit daran sichtbar ist.
Und du hast verschiedene soziale Welten mit dem Text konfrontiert.
Ich habe mir gedacht, dass es Altersgruppen gibt, die sich in einem Leben befinden, wo die Bedeutung von entfremdeter Arbeit, die ja im Text sehr wichtig ist, noch nicht so präsent ist. Also Jugendliche zum Beispiel, das war eine sehr frühe Idee. Im Bartleby-Text gibt es ja auch einen 12jährigen Lehrling. Dann gab es auch die Überlegung: Was würde heute mit so jemand passieren wie Bartleby? Wo würde der landen? Gibt es Experten im Verweigern? So bin ich dann zu dieser Einrichtung VinziRast gekommen, in der obdachlose Menschen ein Zuhause finden können. Aber mir war klar, dass ich da nicht einfach so mit einer Filmcrew reinspringen kann in diese Welten, also haben wir bei all den verschiedenen Gruppen eine Bartleby-Lesereise veranstaltet. Ich bin da also hin, beispielsweise zu VinziRast, und habe dort erstmal um das Projekt geworben und habe dann mit diesen Männern über Bartleby geredet. Es sind nur Männer in dieser Einrichtung. Dann habe ich sie gefragt, ob sie Interesse hätten, das zu lesen. Dann haben wir uns wöchentlich oder zweiwöchentlich getroffen und Bartleby gelesen. Die Gruppe war sehr wechselnd, manche kamen, dann wieder nicht und übriggeblieben, sind dann diese beiden Männer, die wir im Film sehen können.
Hattest du da mal die Idee, diesen Leseprozess zu dokumentieren, also davon mehr im Film zu haben?
Nein, weil ich wollte sie nicht so sehr als Obdachlose dokumentarisch erzählen, sondern ich will sie als Akteure erzählen, die mit einem literarischen Text arbeiten, der viel mit ihrem Leben zu tun hat.
Und mit den Jugendlichen?
Da war es ähnlich. Das ist ein Jugendzentrum, nicht weit von wo ich wohne. Da haben wir auch einen Lesekreis initiiert. Das war auch ein Kommen und Gehen. Für mich war das eine interessante Erfahrung: Wie geht man sowas mit Kids mit Migrationshintergrund an, die Lesen nicht unbedingt notwendig finden? Das Ergebnis davon sieht man auch im Film.
Du zeigst auch die Wall Street, die ja der Handlungsort der Geschichte ist, in deinem Film. Kannst du etwas dazu sagen, dass du sie zwar ins Bild nimmst, aber das nicht weiterverfolgst? Ich frage auch, weil dieser Text heute ja oft als eine Art antikapitalistische Gebrauchsanweisung gelesen wird.
Die Kurzgeschichte hat ja den Nebentitel A Story of Wall Street. Ich gehe beim Filmemachen gern an die Entstehungsorte oder den Ort, an dem die Geschichten beginnen. Das ist also die Wall Street und die Länge dieser Straße könnte man sozusagen vermessen und das ist es dann. Von dort kommt man wo ganz anders hin, weil diese Straße ist ohnehin nur mehr ein Symbol. Aber als Symbol steht dieser Ort eben noch für den Finanzkapitalismus und daran sind auch die Vorstellungen beim Lesen dieses Nebentitels geknüpft.
Du hast vorhin gesagt, dass dir der Text beim ersten Lesen strange vorgekommen ist. Kannst du das ein bisschen ausführen? Ich frage mich auch, ob sich dein Blick auf den Text in diesem ganzen Prozess, dem Lesen und dem Sprechen darüber, immer weiter verändert hat. Wie war das? Ich frage das auch, weil dein Film ja ein Zeugnis dessen ist, dass man diesem Text auf verschiedenste Arten begegnen kann.
Genau das macht den Text so interessant. Er ist nicht wirklich schlüssig, nicht wirklich erklärbar. Er hat so viele Facetten. Man kann ihn politisch, philosophisch, poetisch lesen und es ist nie falsch und auch nie ganz richtig. Er ist auch sehr komisch. Das war mir wichtig, ich wollte auch von dieser Komik erzählen. Mein erstes Leseerlebnis als noch sehr junge Frau damals, hatte viel damit zu tun, dass dieser Text in einer Welt geschrieben ist, in der Frauen nicht existieren. Es ist nicht nur so, dass sie nicht erzählt werden, es ist viel essentieller. Das ist ein reiner Männerkosmos. Und das entstand in einer Zeit, in der in Europa diese großen Romane über Frauenfiguren rauskamen, Anna Karenina oder Madame Bovary und so weiter. In der Bartleby-Geschichte sind die Männer so derartig unter sich, als würde es sonst nichts geben. Das hat mich sehr irritiert.
Das ist ja oft so bei Melville.
Ja, Moby Dick ja auch…das habe ich dann weiter untersucht und bin dann draufgekommen, – das kommt auch im Film vor – dass Melville in einem Frauenhaushalt gelebt hat. Er war umgeben von Frauen. Seine Mutter war ganz wichtig für ihn, seine Schwestern, seine Ehefrau, seine Kinder. Die Frauen haben ihn auch sehr unterstützt. Seine Schwester Augusta und später seine Frau haben jeden Abend alles abgeschrieben aus seiner unleserlichen Handschrift. Diese Frauen kommen aber nicht vor in diesem Melville-Kosmos. Von diesen getrennten Welten wollte ich auch berichten im Film. Das geschieht in der Form, dass man diese Männer sehen kann, die in ihrer Schreibstube sitzen und sehr hermetisch ihr Ding machen und schreiben. Die Frauen, die um Vermittlung und Verständnis des Textes bemüht sind, übernehmen eher eine performative Rolle.
So kann man ja auch den Besuch im Arrowhead, dem Herman Melville House relativ zu Beginn des Film verstehen, oder? Auch da ist gleich eine Frau im Zentrum…
Ja, das ist es wieder so. Dieses ganze Melville House wird von Frauen betrieben. Und bei mir ist es ja auch schon wieder so, auch ich kümmere mich irgendwo um dieses Erbe von Benedikt.
Im Falle Melvilles ist das aber sicher so, dass der Mann die Aufmerksamkeit bekommt, während ihm die Frauen zugearbeitet haben. In deinem Fall ist es schon aber eine Aneignung und ein Heraustreten aus diesem Erbe. Und selbst bei der Frau im Melville House, die ja eine Rolle spielt, die sich verkleidet und schauspielerisch dort auftritt, empfinde ich das als mehr als ein Zuarbeiten. Vielleicht ist Vermittlung auch eine der schönsten Dinge, die wir Menschen so leisten können. Das bringt mich zurück zu Benedikt. Du inszenierst ihn ja einmal über eure Gespräche auf dem Schwarzbild und dann gibt es am Beginn des Films diesen Ausschnitt aus Geschichtsunterricht von Huillet, Straub, als er mit dem kleinen Fiat mit offenem Dachfenster durch Rom fährt. Wieso war dir dieser Ausschnitt wichtig?
Da spielen verschiedene Sachen eine Rolle. Zunächst einmal liebe ich diese Einstellung aus Geschichtsunterricht. Die ist so vielschichtig, so toll gedreht. Das sind wahnsinnig starke Bilder, in denen man sehr viel von Benedikts Wesen spürt. Dann gibt es da diese Idee einer Übernahme darin, also einer fortgesetzten Fahrt, wo man dann ihn fahren sieht und dann mich. Da ist dann halt nicht mehr das schöne Rom draußen hinter dem Autofenster sondern die amerikanische Wirklichkeit. Das habe ich eine schöne visuelle Erzählung gefunden, um die Genese des Films deutlich zu machen. Dann kommt noch dazu, dass Benedikt in diesen Tonbandprotokollen erzählt hat, dass er in der Zeit, in der er im Filmmuseum Bibliothekar war, diese kleine Begegnung mit dem Peter Konlechner hatte, der damals einer der beiden Leiter der Institution war. Das war eine Begegnung, die Benedikt als kränkend erlebt hat, weil Konlechner bei einer Vorführung von Geschichtsunterricht nicht erkannt hat, dass da sein Bibliothekar auf der Leinwand zu sehen war. Benedikt hat daraus geschlossen, dass Konlechner zwar irrsinnig brillant war, aber sehr auf sich selbst bezogen. Und dann hatte Benedikt diese Idee, dass der Notar aus der Bartleby-Geschichte der Konlechner wäre. Da stecken für mich auch wieder diese Männerbeziehungen mit drin. Das ist ja auch in Geschichtsunterricht so mit dem Bankier und so weiter. Der Glücksfall war, dass Barbara Ulrich* dann damit einverstanden war, dass wir aus dem Film zitieren.
*Produzentin und Verwalterin des Werks von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub
Ich finde, dass dein Umgang mit Bild und Ton, der Kadrierung und so weiter sich ohnehin in eine Beziehung zur Ästhetik der Straubs begibt. Da gibt es eine gewisse Strenge, auch wenn ich das ein unpassendes Wort finde. Kannst du etwas zur Entscheidung für das 4:3-Format und auch für 16mm sagen?
Geschichtsunterricht war da sehr maßgeblich, weil der eben auch in diesem Format gedreht ist. Analog wollte ich schon lange mal wieder drehen. Antonia de la Luz Kašik ist eine sehr tolle Kamerafrau, die vorwiegend im analogen Bereich arbeitet.Ich hatte Beatrix bei der Viennale gesehen und dachte, dass mir diese Bildsprache auch für meinen Film sehr passend vorkommt.
Und würdest du sagen, dass eure Bildsprache eine gewisse Enge erzählt?
Ich finde es nicht eng, ich finde es eher abstrakt oder gedrängt oder konzentriert. Darin liegt vielleicht auch etwas Widerständiges, weil im Moment bemerke ich eher die Tendenz, dass man auch Dokumentarfilme in Cinemascope dreht. Die Enge gibt es beispielsweise in der Szene mit den Schriftsetzern.
Kannst du etwas zu eurem Umgang mit dem Text selbst sagen. Logischerweise musstest du ihn kürzen. Wie seid ihr da vorgegangen?
Der Strich ist in Kooperation mit dem Dramaturgen Claus Philipp entstanden. Wir haben auch deutlich mehr aufgenommen, als jetzt im Film ist. Wir wollten die Grundzüge der Geschichte im Film vermitteln. Da sind viele Details dann rausgeflogen.
Ich finde dieses Verhältnis aus formaler Strenge und dokumentarischer Offenheit interessant. Vielleicht kannst du das mal schildern, anhand eines Beispiels. Ich denke da an die Jugendlichen, die an ihrem Laptop sitzen, um einen Bartleby-Rapsong aufzunehmen. Wie habt ihr da gearbeitet?
Die beiden Rapper haben wir im ersten Stock des Jugendzentrums kennengelernt. Dort ist ein Tonstudio. Die Leute vom Jugendzentrum haben mich mit denen bekanntgemacht. Das war ganz witzig, die kamen da immer mit ganzen Banden. Und dann haben wir verhandelt. Sie wollten schon wissen, wer wir sind und was wir machen. Und ich habe sie dasselbe gefragt, wie ist das mit der Rapmusik und so weiter. Was macht man da so? Geht es bei euch mehr um eigene Befindlichkeiten oder könntet ihr auch über ein Buch singen? So haben wir dann auch über das Buch geredet. Und dann nach einigen Treffen haben wir das einfach mal probiert und situativ gedreht. Das ist ein Geschenk der Dokumentarfilmgöttin und Antonia hat extrem gut reagiert.
Und das entstandene Lied hat euch so gut gefallen, dass es auch im Abspann dann zu hören ist.
Genau, wir haben das dann perfektioniert und sind mit denen in ein professionelles Tonstudio. Das war auch ihr Wunsch.
Mich würde nochmal dieses Scheitern interessieren, von dem du gesprochen hast. Ich finde das in deinem Film und deinen Filmen allgemein sehr stark. Dein Film ist auch eine Versuchsanordnung, finde ich. Es gibt da keine endgültigen Behauptungen, keine angeblichen Wahrheiten, sondern eine Auseinandersetzung mit der Komplexität der Dinge und des Textes.
Das hat mich schon als sehr junge Frau beschäftigt, als ich noch gar nicht wusste, wohin ich will. Ich wusste aber, wohin ich nicht will, nämlich in eine Wirklichkeitsbehauptung. Also auch keine geschlossenen Erzähl- oder Spielfilme. Das erfordert aber eine ständige Suche. Bei mir ist das bisher bei allen Filmen so gewesen, so eine Suche nach einer formal passenden Umsetzung. Ich finde diese Brechtsche Forderung, dass man die Konstruktion eines Theaterstücks oder Films spüren soll, sehr notwendig. Mein Idealbild ist, dass man sich ganz einlassen kann auf ein Erzählangebot und gleichzeitig nimmt man dessen Konstruktion wahr.
Inwiefern spielt da auch die von Bartleby vorgelebte Verweigerungshaltung eine Rolle, also hast du da nach filmischen Entsprechungen gesucht? Wie könnte man filmisch verweigern?
Ja, klar. Benedikt erwähnt das ja auch, wenn er meint, dass das Verweigern der Motor des Films sei. Zuerst fand ich das eine tolle Idee, aber später ist mir bewusst geworden, was das alles mit sich bringt. Es war klar, dass der Anfang der Gespräche bildlos sein muss. Das entspricht dem Inhalt des Textes und der ganzen Situation. Benedikt ist gegangen und diese Gedanken oder Gespenster sind geblieben. Etwas kommt in Gang, mühsam und immer wieder gebrochen, aber doch.
Würdest du den Film in dieser Hinsicht auch als eine Trauer- oder Erinnerungsarbeit verstehen?
Auf jeden Fall. Ich war selbst überrascht, wie intensiv sich das gestaltet hat. Ich hatte auch meine Zweifel, aber ich glaube jetzt, dass es wichtig ist, dieses lange Nachdenken Benedikts zu diesem Film zu einem Resultat zu bringen, auch wenn er sich den Film anders vorgestellt hätte.
Retrospektive
Retrospektive Angela Summereder 06.10.-02.11.2025
Als gerade einmal 23-Jährige hat Angela Summereder 1981 mit ihrem Debüt ZECHMEISTER den österreichischen Film aus seinem Dornröschenschlaf aufgerüttelt, wie es bis dahin noch keine andere Regisseurin getan hat. Die seither entstandenen Arbeiten mögen gering in der Zahl sein, umso größer ist hingegen die besondere Neugierde, Empathie und Experimentierfreude, die sie auszeichnet. Eine Einladung zum Schauen, zum Horchen, zum Staunen – und dazu, das Ungewohnte zu entdecken.
Das Programm findet in Kooperation mit der Viennale 25 statt, bei der auch Summereders neuer Film B WIE BARTLEBY Premiere feiert. Ebenfalls zum ersten Mal zu sehen sind neue digitale Restaurierungen von ZECHMEISTER und BLUT IN DER SPUR. Ergänzend zu ihren Filmen hat die Regisseurin eine Carte blanche zusammengestellt (u.a. mit DIRECT ACTION am Mo. 13.10. 19 Uhr)
Mit etwa 12 Jahren ist die in einem sehr verschlossenen Umfeld aufgewachsene Angela Summereder zum ersten Mal im Kino. Auf der Leinwand findet sie eine fremde Welt vor, in der Menschen über Gefühle sprechen und sie ausleben. Von da an ist ihr klar, dass sie selbst auch einmal Filmemacherin werden will. Vom Gedanken bis zur Umsetzung ist es jedoch ein weiter Weg. Im ländlichen Oberösterreich gibt es in den frühen 1970er-Jahren kaum Möglichkeiten, sich ernsthaft mit Film zu befassen – abgesehen von wenigen heimlichen Ausflügen per Autostopp in die nächstgelegenen größeren Städte. Als sie bei einem dieser Trips Werner Herzogs HERZ AUS GLAS sieht, manifestiert sich der Wunsch erst recht. Dennoch beginnt sie 1977 zuerst, in Salzburg Publizistik zu studieren, wo sie von der Existenz der Filmakademie erfährt, sich bewirbt und aufgenommen wird. Ihre Zeit in der Metternichgasse 12 währt aber gerade mal ein halbes Jahr. Ihre Ausbildung findet ohnedies mehr im Kino selbst statt. Im Österreichischen Filmmuseum lernt sie außerdem den Straub-Huillet-Darsteller Benedikt Zulauf kennen – Umstände, die sich in ihrem jüngsten Film B WIE BARTLEBY abbilden werden. Nach ihrer Relegation von der Akademie setzt sie sich mit einer »Mischung aus Verzweiflung und Größenwahn« ans Schreiben ihres Drehbuchs zu ZECHMEISTER. Für diese Produktion orientiert sie sich in Richtung Berlin, wo sie auf ein neues, feministisches Umfeld trifft, das sie bei der Realisierung ihres Erstlings tatkräftig unterstützt. Dieser läuft erst auf der Berlinale und im November 1981 als Eröffnungsfilm im Stadtkino am Schwarzenbergplatz. Kurz darauf ist Summereder schwanger und sieht unter damaligen Umständen Filmemachen und Mutterschaft als unvereinbar. Es dauert 25 Jahre, bis sie 2006 wieder einen Langfilm realisiert: Ein erstes Zurückfinden ins Medium, mit wenig Geld gedreht über die Straße (und Menschen) zwischen Ort und Ried im Innkreis – jener Straße, der sie einen ganzen Werkzyklus widmen wird, der sich von ZECHMEISTER über JOBCENTER bis AUS DEM NICHTS erstreckt, jenes wagemutige Hybrid aus Spiel-, Dokumentar- und Essayfilm, das sie aus dem heimatlichen Innviertel bis nach Indien führt. Nun feiert ihr neuer Film B WIE BARTLEBY seine Premiere auf der Viennale und wird ab Jänner im METRO Kinokulturhaus zu sehen sein: »Im Grunde genommen ging es mir immer um Themen, die Außenseiterpositionen in den Mittelpunkt rücken und dabei nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Und darum, für jeden Film eine adäquate Sprache zu finden.«
(Florian Widegger)
Kinostart mit der Unterstützung von BMWKMS und öfi+