Tarpaulins

An der US-Westküste finden sich in den lokalen Zeitungen schier unzählige Annoncen von Kammerjägern. Die titelgebenden Tarpaulins sind eine Art von Zelten, in die ganze Ein- und Mehrfamilienhäuser à la Christo eingehüllt werden, um die Immobilien in einem zweiten Schritt begasen und so das Ungeziefer vernichten zu können. TARPAULINS verwebt die Geschichte der Zeltbahnen mit jener der ungeliebten Bewohner (oder eher Vertilger) der Häuser – einer der Erzählstränge verführt gar zu Horrorfilm-Fantasien: Termiten! Und erweitert das Feld um ästhetische Sensationen: Farben, Formen und Geräusche der Tarpaulins – und selbstredend auch die Geräusche der Termiten. Ein Fest für die Sinne! [Viennale]

Der Ausgangspunkt für Tarpaulins ist ein farbenfrohes Störmoment im Stadtbild von Los Angeles: ein Haus, das in eine riesige gestreifte Plane gehüllt ist. Es ist eines der Zelte, die zur Schädlingsbekämpfung mit Giftgas befüllt werden. Die Filmemacherin Lisa Truttmann erzählt die Geschichte dieser geheimnisvollen Objekte, indem sie über einen Zeitraum von zwei Jahren die buntgestreiften Zelte aufspürt. Sie dokumentiert die Wohnhäuser, die Termiten und die Spuren, die sie hinterlassen. Wir folgen ihnen, denn sie führen uns auf ganz spezielle Weise durch Los Angeles und seine Viertel. Die Suche nach den winzigsten Bewohnern der Stadt und ihren Jägern wirft Fragen nach Leben und Tod, Profit und Verlust, Heim und Fremde, Mikro- und Makrokosmos auf. Die Zelte werden zu temporären Skulpturen, gigantische Kreaturen, die sich im Wind blähen, Skelette, die von Arbeitern verhüllt und entblößt werden. Holzstrukturen, beinahe fertige Häuser, nach einem Angriff zu zerklüfteten Mondlandschaften erodiert. Und dort, unter dem farbenprächtigen Umhang mit seiner brutalen Funktion gelingt es Truttmann im Unheimlichen etwas Wahrhaftiges einzufangen.

Aus dem Off hören wir die Stimmen von Bauarbeitern, Kammerjägern, Insektenforschern, Chemikern, Stadtplanern, Schriftstellern und Reisenden, die in ständigem Austausch miteinander begriffen sind. Die Beobachtung springt von einem zum Nächsten, während ein Alter Ego die eigenen Gedanken und ihren Ursprung infrage stellt. Einem persönlichen Weg folgend werden nach und nach die visuellen, politischen, sozialen und ökonomischen Zusammenhänge offengelegt. Als Essayfilm richtet Tarpaulins einen subjektiven Blick auf einen Ort, begleitet von einer mäandernden Diskussion, die sich „ungezähmter Aktivität“, emsiger Arbeit, abschweifenden Überlegungen und obsessiven Gedankengängen hingibt.

Spieltermine

WIEN Breitenseer Lichtspiele
Focus On Lisa Truttmann

Fr. 19.01.2024
18 Uhr Kurzfilmprogramm
20 Uhr Tarpaulins + Kurzfilme
 

In Anwesenheit der Regie

Anschließende Gespräche mit Lotte Schreiber und Lisa Truttmannn

+ Übungen zum Balanceakt (AT-2005, 3 Min, mit Verena Dürr: Projektion im Loop, "Saal 2" im Kinofoyer

 

Kinostart: 22.06.2018 u.a. in Metro Kinokulturhaus, ProgrammKino Wels, KIZ Royal Kino Graz,  LeoKino Innsbruck,  Kino im Kesselhaus Krems, CinemaParadiso St.Pölten, Moviemento Linz, Admiral Kino Wien, Breitenseer Lichtspiele Wien, They I Sie I Oni Belgrad

Pressespiegel

Zeugnis der mutigen Handschrift einer vielversprechenden FilmemacherinFALTER
Es ist großartige FilmkunstDie Furche
Ihr Filmessay gehört zu den eindrücklichsten heimischen Kinoarbeiten der laufenden SaisonDie Furche
Lisa Truttmann navigiert sich in ihrer feinen Doku « Tarpaulins » anhand von Termitenbekämpfung durch Los Angeles.Kurier
Truttmann nutzt die essayistische Form, um ihren Film spielerisch zu erweitern.“ Der Standard
Lisa Truttmann’s documentary manages to build up an unexpected tension in contrast to her calm voice.fm4
ORF Bericht ZiB
Ein Filmessay à la Chris MarkerDie Presse

Biografie

Lisa Truttmann, geboren 1983 in St.Pölten, lebt und arbeitet als Medienkünstlerin und Filmemacherin in Wien. Sie studierte Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien sowie Film und Video am California Institute of the Arts. Seit 2005 zahlreiche Ausstellungen sowie Festivalteilnahmen.
Kurzfilme, u.a.: ANYTHING CAN HAPPEN (2013) | BABASH (2014) | 6500 (2015) | TABULA RASA (2015).
=> www.lisatruttmann.at
 

Festivals & Preise

CPH:DOX Copenhagen Film Festival, Viennale, Diagonale – Festival des österreichischen Films, Urban Bloom Festival Wien

Material

Filmplakat

DCP Trailer (965 MB)
Trailer Youtube
Facebook Video Header (66MB)
Plakat (A1 pdf CYMK, A4 web RGB)
Filmfotos (16MB)
Fotos Lisa Truttmann (98MB | Kredit: Elsa Okazaki)

Interviews

“In the essay film, not everything can be verified”  Desistfilm

Premiere

01.06 18:30 Uhr Krems Premiere im Kino im Kesselhaus in Anwesenheit von Lisa Truttmann + Golden Pixel Cooperative Weißes Licht Programm mit Viktoria Schmid: Sweet Oranges von Nora Sweeney und A Proposal to project von Viktoria Schmid
08.06 19 Uhr Wels Premiere im Programmkino in Anwesenheit von Lisa Truttmann und Local Hero Leni Gruber (ihr Kurzfilm Schneemann wird auch gezeigt)
15.06 19 Uhr Kurzfimprogramm von Lisa Truttmann im Blickle Kino
19.06 18:30 Uhr Graz Premiere im KIZ Royal Kino in Anwesenheit von Lisa Truttmann + Golden Pixel Cooperative Weißes Licht Programm mit Bárbara Palomino: Untitled (Flying Trees) von Katharina Swoboda und Tabula Rasa von Lisa Truttmann & Elizabeth Webb
20.06 19:30 Uhr Wien Premiere im Metro Kinokulturhaus in Anwesenheit von Lisa Truttmann + Golden Pixel Cooperative Weißes Licht Programm: The Pool von Marlies Pöschl und  Double 8 von Christiana Perschon
und mit Zoll+
22.06 19 Uhr Innsbruck Premiere im LeoKino in Anwesenheit von Lisa Truttmann + Golden Pixel Cooperative Weißes Licht Programm mit Nathalie Koger: Untitled (Flying Trees) von Katharina Swoboda und -5°C 40% rF von Simona Obholzer
24.06 11:00 Uhr St. Pölten Premiere Matinée im Cinema Paradiso in Anwesenheit von Lisa Truttmann und Local Hero Kathi Posch
26.06 20:30 Uhr Linz Premiere im Moviemento in Anwesenheit von Lisa Truttmann + Golden Pixel Cooperative Weißes Licht Programm mit Local Hero Christina Gruber: Sweet Oranges von Nora Sweeney und A Proposal to project von Viktoria Schmid

Der Film wird im Metro Kinokulturhaus bei jeder Vorführung von Weißes Licht, einem Kurzfilmprogramm, begleitet. Weißes Licht besteht aus allen alle Farben. In Form einer Carte Blanche präsentiert die Golden Pixel Cooperative das vielfältige Spektrum ihrer Arbeitsweisen. Die Kurzfilmprogramme werden von einem Mitglied der Golden Pixel Cooperative persönlich vorgestellt. Golden Pixel Cooperative ist eine ortsunabhängige Plattform für bewegte Bilder und bildende Kunst.
20.6. 19:30 Uhr The Pool (Marlies Pöschl) + Double 8 (Christiana Perschon)
21.6. 20:30 Uhr distortion (Lydia Nsiah) + die_anderen_bilder (Iris Blauensteiner)
24.6. 20 Uhr distortion (Lydia Nsiah) + die_anderen_bilder (Iris Blauensteiner)
25.6. 20 Uhr Untitled (Flying Trees) (Katharina Swoboda) +  A Proposal to project (Viktoria Schmid)
27.6. 20 Uhr the still walker (Miae Son) + Tabula Rasa (Lisa Truttmann & Elizabeth Webb)
28.6. 20 Uhr Tête-à-Tête (Miae Son) + Double 8 (Christiana Perschon)
29.6. 20 Uhr Ghost Copy (Christiana Perschon) + distortion (Lydia Nsiah)
30.6. 20 Uhr The Ghostly and the Golden (Luiza Margan) + -5°C 40% rF (Simona Obholzer)
1.7. 20 Uhr das bin nicht ich, das ist ein bild von mir (Christiana Perschon) + Was ausgestellt wird (Nathalie Koger)
2.7. 20 Uhr Rerouting (Luiza Margan) + Center of the Earth (Katharina Swoboda)
3.7. 20 Uhr The Pool (Marlies Pöschl) + Double 8 (Christiana Perschon)
4.7. 20 Uhr A Proposal to project (Viktoria Schmid) + Cinema Cristal (Marlies Pöschl)

Text

GEFRÄßIGE ALLIANZEN ZWISCHEN FREMDHEIT UND UNHEIMLICH VERTRAUTEM
Claudia Slanar

“Eine Besonderheit der Termiten-Bandwurm-Pilz-Moos-Kunst ist, dass sie sich ausschließlich vorwärts bewegt, ständig ihre eigenen Begrenzungen auffrisst und in dieser Durchfraß höchstwahrscheinlich keine Spur hinterlässt außer Zeichen einsatzbereiter, fleißiger und ungezähmter Aktivität,” meinte Künstler und Kritiker Manny Farber 1962 in einem Essay, in dem er die “Termiten-Kunst” gegen Dekor und ausgestellte Kunstfertigkeit der “White Elephant-Art” in Stellung bringt. In ihrem ersten Langfilm zitiert die Künstlerin und Filmemacherin Lisa Truttmann Farber erst gegen Ende, um nochmals ihre Sympathie für die kleinen, doch umso gefährlicheren Schädlinge zu betonen und auf Gemeinsamkeiten in den Arbeitsprozessen hinzuweisen. Denn mit Tarpaulins widmet sie sich – wie die Termiten – einem bestimmten Terrain, “nagt” es so gut wie möglich ab und testet dabei permanent dessen (medialen) Grenzen aus. Und das alles in einem kollaborativen Setting, das Filmemachen nun mal ist.

Doch zurück zum Beginn: Tarpaulins sind großen Folien, mit denen Häuser bedeckt und versiegelt werden, um den Termiten im Inneren mit Hilfe eines flüchtigen Gases den Garaus zu machen. Die dominante Holzbauweise an der Westküste, nicht zuletzt der geologischen Lage in einem Erdbebengebiet geschuldet, macht dieses geografische Gebiet zum gefundenen Fressen für Termitenkolonien, die, wie das Publikum später erfahren wird, keinen Unterschied zwischen abgestorbenen Bäumen und Holzhäusern machen, sondern nur “ihrer Arbeit” des Recycling nachgehen. Die bunten Skulpturen, die durch dieses Verpacken von Gebäuden entstehen, sind seltsame Objekte im Ortsbild und werden für Lisa Truttmann zum Ausgangspunkt, um eine Stadt und ihr Terrain zu erkunden, das für sie (noch) fremd ist. Die liebevoll “Tarps” abgekürzten Planen haben jedoch einen Mehrwert: sie lassen sich in unzähligen Farben und Farbkombinationen bestellen und sind somit ebenso eine ästhetische Entscheidung der Schädlingsbekämpfer wie der Hausbesitzer_innen. Die Künstlerin ist fasziniert von Haptik und Optik dieser Folien, die sie von Anfang an immer wieder einsetzt, um eine abstrakte Ebene der Reflexion einzuziehen. In diesen Sequenzen sehen wir aus der Vogelperspektive Hände, die diese ausbreiten, einrollen, übereinanderlegen, während die Ich-Erzählerin, Truttmann selbst, und ihr Alter Ego über Nutzen und Faszination der Farbflächen und in weiterer Folge über den Film selbst räsonieren.

Die Künstlerin verwebt in Tarpaulins gekonnt mehrere Erzählstränge: die Geschichte der Termitenkolonien in Los Angeles; die Arbeiter, die ebenfalls koloniengleich an deren Bekämpfung werken; die Unheimlichkeit der befallenen Häuser, die ruhig gestellt, abgedunkelt und begast werden, potentiell gefährlich für alle Lebewesen. Ein weiterer Aspekt ist der autobiografische der eben an der Westküste angekommenen Truttmann, die mit Hilfe der Termitenbekämpfungszelte den Großraum Los Angeles erkundet: Eagle Rock, Pasadena, Mar Vista, Malibu, Chatsworth, Los Feliz, Alta Dena, Hollywood. Die Stadt präsentiert sich als überraschend rural, von Einfamilienhäusern zersiedelt, von weiten Boulevards und absurd großen Straßenkreuzungen durchzogen. Stadtforschungs, Migrationsgeschichte sowie ökonomischer Kontext fließen also in diesen Essayfilm ein, denn, so erfahren wir von einem der Kammerjäger, der Dienst ist eng mit dem Immobiliengeschäft und der Kreditvergabe verbunden. Kein Handeln also nur zum Wohle der Gemeinschaft und die Frage bleibt, was wohl mit jenen Häusern passiert, deren Bewohner_innen sich die Fumigation nicht leisten können?

Die Vielstimmigkeit der befragten Experten – Schädlingsbekämpfer, Insektologe, Atmosphärenchemiker, Medienhistoriker – ist auf der Tonebene erfahrbar, das Gesagte wird nie unmittelbar mit Bildern illustriert. So fordert die Montage das Publikum auf, zuzuhören und – termitengleich – neue Verbindungen herzustellen. Truttmanns Kommentar, ihre eigene Erzählung ist ebenfalls fern von der allwissenden, all-sehenden Stimme aus dem Off. Mit ihrem Alter-Ego uneins, zweifelt sie, “spult” zurück, beginnt öfter von Neuem. Erst gegen Mitte des Films zeigt sie uns schließlich ein Stück termitenzerfressenes Holz, während die Insekten selbst bis zum Ende des Films im Dunkeln bleiben, ebenfalls nur über die Tonspur präsent sind. Vielleicht weil sie selbst “lichtscheue Gestalten” sind? Noch ein Grund mehr, sich mit ihnen als Künstlerin solidarisch zu erklären. Natürlich nur auf metaphorischer Ebene, wie Truttmann am Ende meint, im Realen würden sie wohl ihrer eigenen Logik folgen und “einfach weitermachen” voll anarchischer Energie.

Ausstellung

A Zig-Zag Attempt:

Their home in mine, or the other way around
Eine „termitische“ Annäherung an Los Angeles


Eine Ausstellung von Lisa Truttmann rund um ihren Film TARPAULINS

Wien – Los Angeles und wieder zurück: Nach der Festivalpremiere ihres Essayfilms  „Tarpaulins“ transferiert die Wiener Künstlerin und Filmemacherin Lisa Truttmann ihre künstlerische Investigation der Lebens- und Arbeitskraft von Termiten von der Leinwand direkt in den Ausstellungsraum. Das Heim der Termiten ist unter anderem dort, wo Menschen wohnen und dort, wo Holz ist. Gespickt mit subtilen Klanginstallationen sind es folglich Holzkonstruktionen, die im T/abor den Raum vermessen. In einem Schwenk zwischen Mikro- und Makroperspektive eröffnet Truttmann einen überraschenden Blick auf die Megalopolis Los Angeles und ihre unsichtbaren Bewohner mit beträchtlichem Zerstörungspotential. Die Übertragung ins Dreidimensionale setzt zudem Arbeits- und Denkprozesse mitsamt ihren Werkzeugen in Szene: Der white cube gerät zum Zirkuszelt, Baumaterial und Bewegtbild halten Zwiesprache und das Zettelwerk verdichtet sich zum Kunstbuch, kurz: „A Zig-Zag Attempt“ entführt für Momente an einen anderen Ort und macht damit auch die produktiven Zwischenräume von Film und Kunst sicht- und erlebbar. [Antonia Rahofer]
Klanginstallation: Thomas Grill | Konstruktion: Paul Leitner | Mit Unterstützung des BKA
T/abor, Taborstrasse 51/3, 1020 Wien (Facebook)